Gemäß einer Erhebung von diva-e nach der jeder dritte Digitalchef keine Digitalstrategie für sein Unternehmen hat, wird deutlich, was die zentrale Herausforderung für die Zukunft von deutschen Unternehmen ist: der wertschöpfende Umgang mit großen Datenmengen. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz und semantischen Technologien.

Im Vorfeld der SEMANTiCS Konferenz 2019 verraten fünf internationale Ökonomen und Forscher, welche Trends Unternehmen in den nächsten Jahren erwarten und geben Empfehlungen, wie eine bessere Wertschöpfung aus Daten gelingen kann.

Juan F. Sequeda

Mitgründer von Capsenta und Senior Director bei Capsenta Labs

Wir arbeiten an der nächsten Generation von Wissensgraphen, die noch detailliertere Informationen erfassen werden. Diese Graphen erleichtern es Menschen, komplexe Zusammenhänge zwischen Konzepten zu verstehen und auszudrücken. Wir haben Führungskräfte einen Wissensgraphen betrachten lassen. Sie haben sofort erkannt, wie dieser einen Teil ihres Geschäfts ausdrückt und sogar Optimierungsvorschläge macht. Das steht in scharfem Kontrast zu den Daten selbst, die fast immer schwer verständlich und sehr komplex sind. Ein Wissensgraph kann ermöglichen, die konzeptionelle Lücke zwischen dem kritischen Teil der undurchschaubaren Daten selbst und der Perspektive der Nutzer zu überbrücken. Es bietet unglaublich viele Chancen, wenn für die Mitarbeiter des Unternehmens “schöne Daten” klar und verständlich verfügbar gemacht werden.

Tipps

  • Fragen Sie sich zuerst, welches grundsätzliche Problem Sie lösen möchten und nicht, welche Technologie Sie nutzen wollen.
  • Wert aus Ihren Daten zu ziehen, betrifft sowohl technische als auch soziale Bereiche. Nicht alles kann durch Technologie und Automatisierung gelöst werden. Es ist entscheidend, die sozialen bzw. menschlichen Aspekte der Probleme zu verstehen.
  • Übernehmen Sie sich nicht. Seien Sie agil.
  • Vergessen Sie nicht, dass die digitale Transformation ein Marathon und kein Sprint ist.

Volker Tresp

Distinguished Research Scientist bei Siemens

Ohne Frage waren Machine Learning und insbesondere Deep Learning der Grund für die jüngsten Durchbrüche in der KI. Sie werden auch die Basis für die Fortschritte in den kommenden Jahren sein. Machine Learning baut auf verfügbaren Daten, neuen Algorithmen, Rechenleistung und einer starken Community auf. Es wird immer stärker mit anderen Ansätzen interagieren, und wir werden zunehmend Hybrid-Lösungen sehen. Zum Beispiel verbinden wir bereits Wissensgraphen mit Machine Learning und Deep Learning. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass kognitive Technologien stärker in den Vordergrund treten werden – da kann man viel von der Organisationsstruktur des Gehirns lernen. Wir müssen neue Wege gehen. Ich sage immer: KI ist nicht nur Machine Learning, aber ohne Machine Learning gibt es keine KI. Wir arbeiten bereits an der nächsten Generation der KI, bspw. am Quantenmaschinenlernen und entwickeln Quantenmaschinen-Lernalgorithmen für selbstlernende Wissensgraphen.

Tipps

Die wichtigste Aufgabe ist, ein Geschäftsmodell zu finden, das für Ihr Unternehmen geeignet ist. Ich würde behaupten, dass jedes Unternehmen erfolgreiche KI-Projekte hat. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass jedes Unternehmen weiß, wie es diese optimal auswertet. KI kann damit einhergehen, dass Sie die Kultur in Ihrem Unternehmen drastisch verändern müssen. Sie können nur dann erfolgreich sein, wenn Sie die größten Talente einstellen. Und Sie müssen die Unternehmenskultur so verändern, dass diese Talente gehört und gewertschätzt werden.

Andreas Blumauer

Gründer und CEO Semantic Web Company

Die zweite Welle von KI-Anwendungen kommt auf uns zu. Kennzeichnend für diese sind:

  1. heterogenere und unsaubere Daten (einschließlich Text), die am Prozess beteiligt sind,
  2. die Einbindung von Menschen, die in der ersten Phase von KI enttäuscht waren, weil die Ergebnisse unzureichend waren und jetzt auf Ansätze hoffen, die Experten in den Prozess einbeziehen,
  3. das zunehmende Verständnis, wie semantische Wissensmodelle (z. B. Wissensgraphen) den entscheidenden Unterschied darstellen können, wenn es darum geht, intelligente, multimodale Anwendungen auch im großen Maßstab zu realisieren,
  4. der Wunsch, strukturierte und unstrukturierte Daten gleichzeitig nutzen und diese miteinander verknüpfen zu können,
  5. der Einsatz hochskalierbarer Graphen-Datenbank-Technologien, die durch die Integration von semantischen Middleware-Komponenten, Visualisierungswerkzeugen und Editoren auch von Nicht-Technikern und Fachexperten bedient werden können,
  6. der zunehmend kombinierte Einsatz von Machine Learning und Graphen-Technologien (z. B. graph embeddings),
  7. die zunehmende Bedeutung der „explainable AI“, die unter anderem mit Hilfe semantischer Wissensmodelle implementiert werden kann.

Tipps

  1. 1.Versuchen Sie nicht, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Eine effiziente Datenaufbereitung und -qualität ist insbesondere im Unternehmensumfeld eine Grundvoraussetzung für alle Anwendungen künstlicher Intelligenz.
  2. Die Entwicklung von Kompetenzen und Experten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz sollte parallel zum Prozess jeder technologischen Entscheidung erfolgen – und nicht erst am Ende der Umsetzung einer KI-Strategie. Outsourcing darf nicht Teil dieser Strategie sein.
  3. Kleine, agile, aufeinanderfolgende Pilotprojekte allein reichen nicht aus, um eine KI-Strategie zu entwickeln. Parallel zur Pilotphase sollte gemeinsam mit dem Management eine längerfristige Strategie entwickelt werden, um abteilungsübergreifende, prozessunabhängige und datengestützte Entscheidungsprozesse und Aktivitäten zu fördern.
  4. Projekte, die auf Wissensgraphen basieren, sind multidisziplinärer als viele denken. Dementsprechend müssen Teams entwickelt werden, die Expertise in den Bereichen Datenbanktechnologien, IT-Sicherheit, Anwendererfahrung, Datenvisualisierung, Wissensmodellierung, Datenkonformität, Governance etc. besitzen. Daher sind Festlegung und Steuerung der Erwartungen zu Beginn der neuen Initiativen von größter Bedeutung.
  5. Graphen-Technologien sind nicht nur eine etwas bessere Suchtechnologie. Wissensgraphen können verwendet werden, um eine Vielzahl von schwerwiegenden Problemen im Datenmanagement zu lösen. Der Fokus sollte von Anfang an darauf ausgerichtet sein!

Michael J. Sullivan,

Principal Cloud Solutions Architect bei Oracle

Hauptthemen für CIOs und CDOs

  • Der weit verbreitete Mangel an Vertrautheit mit Wissen/Semantik im Allgemeinen – in der Regel, weil diese außerhalb des Bereichs der typischen Informatik liegt.
  • Die Tendenz in Monolithen zu denken – auch wenn viele Probleme eigentlich für Mikrodienstleistungen besser geeignet sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Datenintegration über Silos hinweg.
  • Datenmigration, Speicherung und ETL benötigen immer mehr Bandbreite.
  • Wie oben erläutert ist eine Reihung der Maßnahmen notwendig.
  • Eine grundsätzliche Schwierigkeit ist meines Erachtens, wenn versucht wird, allen Problemen mit KI zu begegnen. Dies sieht dann häufig so aus: „Wir haben Chaos verursacht, jetzt löffelt ihr das aus für uns“. Dieser Ansatz wird meiner Meinung nach garantiert scheitern.

Tipps

  1. Bekennen Sie sich zu Semantik und qualitativ hochwertigen Inhalten über alle Wissensbereiche im Unternehmen hinweg. Dies wiederum erfordert die Verpflichtung zur Einstellung und/oder Schulung von Content Creators/Curators, die sich mit Semantischen Technologien vertraut machen.
  2. Setzen Sie sich für Linked Data in Ihrem Unternehmen ein: Wir wissen nicht, was wir nicht wissen, also fordern und fördern Sie, dass unvorhergesehene Verbindungen sich spontan realisieren und bauen Sie darauf auf. Bestehende Anwendungen sollten in der Lage sein, einen Beitrag zu diesem Aufwand zu leisten.
  3. Nutzen Sie Fokusgruppen, um die fünf wichtigsten Verbesserungen zu identifizieren, die einen besseren Service für die Kunden Ihres Unternehmens bieten.
  4. An Ihren Wissensmanagement-Daten sollten immer auch „menschliche Einheiten“ mitarbeiten, z. B. Autoren, Gutachter, Kommentatoren, Fachleute und Kunden. Verknüpfungen werden viel mehr Potenzial haben, wenn Sie die Netzwerke nutzen, die durch die Verbindungen von „People 2 Content 2 People“ in der Wissensdatenbank Ihres Unternehmens entstehen.
  5. Hören Sie auf, an „Suchen“ als primäre Technologielösung zum Auffinden von Informationen zu denken. Wissen ohne aufwendige Suche: das sollte Ihr Ziel sein!